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Jean-Claude Racinet: Feines Reiten in der französischen Tradition der Légèreté (Olms 2007)

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Beitrag  KateMagee Mi Okt 24, 2012 6:01 am

Jean-Claude Racinet: Feines Reiten in der französischen Tradition der Légèreté (Olms 2007)
Eine sehr persönliche Reszension von Katharina Möller

Jean-Claude Racinet nimmt die Reiterei persönlich - persönlicher als sonst jemand, den ich kenne. Sein Buch „Feines Reiten“ enthält nicht nur fachlich sehr detaillierte Reitanweisungen, sondern transportiert auch deutlich seine innere Haltung gegenüber dem Pferdesport.
Gerade deswegen fällt es mir schwer, sein Buch zu rezensieren, denn einerseits kann ich ihn sehr gut verstehen, anderseits bin ich aber auch nicht immer seiner Meinung. Ich gäbe einiges darum, diese im Jahre 2009 verstorbene Persönlichkeit noch kennen gelernt zu haben. Was mir bleibt, ist sein Buch:

Die gut 500 Seiten sind unterteilt in drei Kapitel: Theorie, Methodik und Praxis und werden vervollständigt durch äußerst lesenswerte Anhänge.

Der erste Teil widmet sich den Prinzipien der Hilfengebung und erläutert klar verständlich, welche Intention hinter der Einwirkung aufs Pferd stehen muss, damit feines Reiten möglich wird. Schon dieses Kapitel enthält neben zahlreichen Wahrheiten auch spitz formulierte Argumente gegen eine Reitweise, bei der das Pferd zwischen den Hilfen eingespannt wird. Amüsant finde ich außerdem seine praktischen Tipps, um eine feine Hand zu entwickeln: Beispielsweise solle man „ein vertikales Hindernis von etwa 1,00m bis 1,10m mit nur einem Zügel springen (und dazu soll man den anderen Zügel total abnehmen, um nicht in die Versuchung zu kommen, ihn einzusetzen)“ (S. 39).

Der zweite Teil des Buches beschreibt unter dem Motto „Elemente der Vorgehensstrategie“ Übungen und Lektionen der klassischen Reitkunst und erläutert detailliert, wie genau diese zu reiten sind - und zwar in einer Präzision, die andere Reitlehren oft vermissen lassen! Für mich persönlich war die bisher aufschlussreichste Übung der Gemessene Schritt. Auf nur 7 Seiten eröffnete Racinet mir damit eine ganze Welt: Ohne diese Lektion vorher auch nur gekannt zu haben, konnte ich seinen Anweisungen im Sattel problemlos folgen und all die positiven Auswirkungen der Übung mit meinem Pferd genießen. Das nenne ich ein Lehrbuch!

Zum Thema Rückwärtsrichten ohne an den Zügeln rückwärts zu ziehen fällt ihm folgender Vergleich ein: „Wem würde es schon einfallen, auf die Bremse zu treten, um ein Auto zum Rückwärtsfahren zu veranlassen?“ (S.351). Bei der folgenden Erläuterung der Hilfengebung zum Rückwärtsrichten lässt aber auch Racinet zu meinem Leidwesen die Gewichtshilfen außer Acht (vielleicht weil er so sehr damit beschäftigt ist, gegen fälschlichen Zügeleinsatz zu wettern?).

Im dritten Teil des Buches wird erklärt, wie die drei Grundgangarten in ihren unterschiedlichen Tempi und Ausprägungen zu reiten sind. Jeder einzelne Satz ist lesenswert, besonders hinweisen möchte ich aber auf seine Beschreibung, wie das Pferd in den Übergängen (hier zwischen Piaffe und Passage, aber das kann verallgemeinert werden) „ziehen“ soll (S. 389). Er nennt diesen Wirkzusammenhang nicht explizit Anlehnung, beschreibt ihn aber als „Spannung, unter die man die Zügel setzt“. Für mich ist das wieder einmal die Verbindung zwischen den Reitweisen, auch zwischen ihm und erklärten Vertretern der ihm konträren Auffassung! Racinet beziffert diese Spannung mit dem „Gewicht der Zügel“ und bleibt damit seinem in Kapitel I erklärtem Konzept der Hilfengebung treu.

Die sogenannten Anhänge sind eigentlich eigene Abhandlungen über Themen, die dem Autor besonders am Herzen zu liegen scheinen, wie beispielsweise die Abstellung des Pferdes im Schulterherein, und ob dieses denn nun auf drei oder vier Hufschlägen auszuführen ist. Im Kapitel „Das zehenenge Pferd der FEI“ legt er mit großem Engagement dar, warum die offiziell geltende Ausführung des Schulterhereins im internationalen Turniersport nicht funktionieren kann. Dabei kann man zwischen den Zeilen regelrecht hören, wie der Mann sich aufregt und ereifert. Seine Argumente sind stichhaltig, aber dennoch frage ich mich, ob man mit dieser Energie nicht hätte etwas produktiveres anfangen können, als einer Sportart , die man sowieso ablehnt, zu erklären, warum ihre Statuten „falsch“ sind.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich das Buch absolut für lesenswert halte. Sein Stil ist anstrengend und erfordert ausdrücklich das Mitdenken des Lesers, bringt einen dafür aber auch wirklich weiter auf dem Weg zur Reitkunst.

Wem ich das Buch empfehlen würde? Ich glaube, um Racinet zu begreifen, muss man schon ein wenig reiten können: Man muss gewisse Reitgefühle „kennen“, um zu verstehen, wovon er spricht. Um seine durchaus amüsanten Spitzen gegen die FEI zu verstehen, sollte man außerdem ein wenig in der Pferdesportwelt bewandert sein. Es ist also absolut kein Buch für Anfänger, anderseits kann ich mir aber auch vorstellen, dass es einem Jahre der reiterlichen „Verwirrung“ ersparen kann, wenn man es früh genug in seiner reiterlichen Karriere liest. Mein Tipp ist, das Buch einfach mal zu kaufen: Wenn man es zu lesen beginnt, merkt man dann, ob man ihm folgen kann oder es einfach zu einem späteren Zeitpunkt zur Hand nimmt. Auf jeden Fall ist es ein Buch zum mehrfach-lesen. Ich freue mich schon sehr darauf, mein Exemplar in einigen Jahren (wenn ich dann wiederum besser reiten kann) erneut zu lesen und mich dann wahrscheinlich selbst über meine zahlreichen Anmerkungen und Randnotizen vom ersten Lesen lustig zu machen.

KateMagee

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Beitrag  KateMagee Do Okt 25, 2012 11:24 am

Kleiner Nachtrag zur Verfügbarkeit: Das Buch ist derzeit vergriffen, wird aber nachgedruckt und soll ab Dezember wieder beim Olms-Verlag zu bekommen sein. Preis ist knapp 33 Euro.

KateMagee

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Beitrag  Reiterlein Do Okt 25, 2012 4:38 pm

Gut zu wissen! Danke!

Denn bei Booklooker sind drei Stück drinnen. Eines für 80 Euro, eines für 96 Euro und eines für sage und schreibe 189,95 Euro! Shocked Shocked

Ob für diese Preise die Verkäufer jemals das Buch verkauft bekommen? scratch

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