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"Die Losgelassenheit des Pferdes" Ausbilden und reiten ohne Zwang

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Beitrag  Anne.Schmatelka Di Okt 16, 2012 6:54 am

Vorwort als Auszug…
»Wer zu seinem obersten Grundsatz macht, schon vom ersten Tag der Ausbildung an das ganze Pferd, und nicht nur einen Teil desselben zu beachten, wird am wenigsten fehlgehen.«
(Zitat aus »Dressurlehre für Reiter und Turnierrichter« von Kurt Albrecht, Direktor der Spanischen Hofreitschule 1975-1985)
Seit neuestem ist Losgelassenheit in der Reiterei wieder ein absolutes In-Thema. Alles und jeder muss losgelassen sein.
Heute sieht man unterschiedlichste Methoden, die alle behaupten, auf Losgelassenheit zu basieren. Da muss das Pferd, der Reiter, der Kopf, der Körper, die Hinterhand losgelassen sein. Der Zügel hängt lose durch, die eigene Konsequenz und Lernbereitschaft wird hinten angestellt und wichtige ausbildungstechnische Grundlagen werden schlicht weggelassen.
Wenn man sich alle angeblich revolutionären und neuartigen Erkenntnisse der Reitlehre näher betrachtet, sind sie
a) nichts Neues und
b) bewegen sie sich eher weg von der Losgelassenheit,
c) stehen sie stellvertretend für das wenige Wissen, das viele Menschen heute haben, die sich in der Reitlehre auszukennen glauben.
Da wird berichtet, dass der Reiter losgelassen und unverspannt im Pferd sitzen soll, aber es werden mehr und mehr Sättel konzipiert, die die Losgelassenheit des Reiters unmöglich machen.
Da wird vom losgelassenen Sitz gesprochen, aber Sitzübungen werden be-dauerlicherweise kaum noch gemacht. Jeder arbeitet an seiner Reitmethode, aber korrekt sitzen scheint man heute nicht mehr zu müssen.
Da werden Worte, die über Jahrhunderte durch die Reitlehre festgelegt waren, neu definiert und dadurch für den Reiter verfremdet. Ohne erkennbaren Zusammenhang werden Begriffe wie beispielsweise Selbsthaltung plötzlich mit der Bewegung des Pferdes auf der Weide gleichgesetzt.
Da wird aus festgeschriebenen Definitionen, wie dem »Zusammenwirken der Hilfen«, auf einmal kommunizierende Hilfen gemacht und damit ein endloser Interpretationsspielraum geschaffen.
Es wird über biomechanische Zusammenhänge bei Pferd und Reiter diskutiert, aber beim Reiten und Ausbilden haben diese Erkenntnisse scheinbar gar keine Be-deutung! Biomechanische Zusammenhänge werden auf einmal sogar neu inter-pretiert.
Immer mehr Reitweisen und Methoden verbreiten sich, bei denen ehrliche Losgelassenheit für das Pferd überhaupt nicht möglich ist. Das reduziert sich nicht nur auf die Rollkur, die noch immer von vielen Menschen mit Überzeugung vertreten wird oder auf den falschen Schlaufzügeleinsatz, sondern gilt auch für die vielen alternativen Reitweisen, die den Schwung aus der Hinterhand für genauso überflüssig halten wie die Verbindung zum Pferdemaul. Bei denen dann von Losgelassenheit gesprochen wird, wenn das Pferd »auseinandergefallen« auf der Vorhand läuft.
Es wird über Piaffe und Passage, fliegenden Wechsel und Pirouetten philosophiert, aber es ist keine ausbildungstechnische Basis, geschweige denn beim Pferd die notwendige Elastizität oder Muskulatur vorhanden, um diese Lektionen auch nur annähernd korrekt ausführen zu können, ohne dem Pferd langfristig zu schaden!
Alles scheint mal eben erlernt werden zu können. Nur, wo bleibt da die Losge-lassenheit?
Die überlieferten Grundsätze der Ausbildung, die wir heute in der Skala der Ausbildung finden, mit ihren so wichtigen Eckpunkten, die ein Pferd durchlaufen muss, um gesund zu bleiben, werden auf einmal in Frage gestellt?
»Losgelassenheit ist langweilig und unsportlich« geworden, »die Skala der Ausbildung überholt?«
Wichtige Grundlagenlektionen wie Zügel aus der Hand kauen lassen werden weggelassen. Die halbe Parade und ihre Bedeutung, ihre korrekte Ausführung, scheinen aus dem Reitunterricht weitestgehend verschwunden zu sein. Sind diese so notwendigen Grundlagen vergessen worden oder gar nicht mehr bekannt?
Viele Menschen reiten Lektionen um der Lektionen willen und begreifen scheinbar nicht, dass das Reiten von korrekt ausgeführten Lektionen eigentlich nur der Gesunderhaltung des Pferdes dient und nicht ihrem Selbstzweck?!
Jeder hechelt irgendwie dem persönlichen Erfolg hinterher. In diesem Ehrgeiz denken immer weniger Menschen an das Pferd. Ist das noch im Sinne der Ethischen Grundsätze und im Sinne der Liebe zum Pferd?
Das gilt zum einen für den Turniersport, bei dem alles immer aufwendiger sein muss, das gilt aber auch für die vielen alternativen Reitansichten. Es werden diesbezüglich regelrecht Fronten aufgebaut. Man spricht da nur noch von »Harmonie«, »das Pferd bitten«, »beim Pferd bedanken«, »abfragen«. Man entwickelt Fotoserien und Videos, die dem Betrachter das Gefühl von Freiheit, Schönheit und Harmonie mit dem Pferd vermitteln sollen. Darüber versucht man sich wenigstens über Worte und Werbebotschaften fehlerfrei und immer als für das Pferd darzustellen. Dass derartige Ausbildungsmethoden in den allermeisten Fällen vollkommen falsch und gesundheitsschädlich sind, wird nicht erkannt.
Selbstüberschätzung und der persönliche Vorteil scheinen heute für alle Bereiche im Reitsport normal zu sein, in denen sich Menschen zu scheinbar wegweisenden Persönlichkeiten erheben wollen. Oftmals findet man bei diesen Personen nur Halbwissen, das zeigt, dass das Reiten in seiner Komplexität nicht verstanden wurde.
Heute wird die Reiterei mehr und mehr wie das Sortiment eines Discounters angepriesen, bei dem man von allem ein bisschen was nehmen kann, damit es funktioniert und nicht viel kostet.
Nimmt man diese ein wenig bissig zusammengetragenen Themen - und das sind vermutlich nicht einmal alle, die uns Reiter beschäftigen sollten - ist es offensichtlich unverzichtbar, endlich eine allgemeingültige Aussage für alle Pferde, Rassen und Reitweisen zu treffen. Dazu ist es notwendig, neben den heute so üblichen Hilfsmitteln auch die Reitweisen und Systeme einzelner Privatpersonen zu prüfen.
Und das immer mit der Überlegung:
• Ist das - was kommuniziert wird - so richtig?
• Welche Auswirkungen haben diese Methoden und Systeme auf den Reiter und das
Pferd?
• Können sich Reiter und Pferd dabei loslassen?
• Bleiben beide dabei gesund und leistungsbereit?
Das tue ich jetzt und wünsche dabei: reichhaltige Erkenntnisse und den Mut, etwas zu ändern!

Anne Schmatelka

Das Buch erscheint im BLV-Verlag München. ISBN 978-3-8354-1100-5

Anne.Schmatelka

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